30. Okt. 2019

Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung

„Alle reden von Wohnungskrise – wir von bedarfsgerechtem Angebot“ – Der DHV lud zum Impulsabend nach Hamburg

Rund 60 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und von verschiedenen Wohngenossenschaften aus ganz Deutschland waren der Einladung des DHV-Prüfungsverbandes gefolgt, um über die Rolle der Genossenschaften in der Wohnungskrise zu diskutieren.

Michael Feldhaus, Redakteur der Immobilienzeitung, stellte in seiner Keynote mit Hilfe von statistischen Fakten und alternativen Ideen provokante und humorvolle Thesen auf, die schon während seiner Rede allerhand Reaktionen des Publikums hervorriefen. Dann ging es mit der Eingangsthese der Moderatorin – „staatliche Eingriffe wie Sozialwohnungsquoten, Belegrechte oder Mietpreisbremse seien entwicklungshemmend und eine Subjektförderung wäre allemal vorzuziehen“ – schnell zur Sache: Während sich die Vertreter der Wohnungsgenossenschaften voll hinter die Eingangsthese stellten, hoben Staatsrat Matthias Kock von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Landespastor Ahrens das Schutzbedürfnis der schwächeren Bevölkerungsschichten hervor, solange der Wohnungsmarkt so eng sei wie heute. Die Genossenschaften konzedierten aber staatliche Regulierungen mit Augenmaß. Schließlich seien die Genossenschaften ein wichtiger Partner von Städten und Kommunen, denn ihre Angebote reichen vom Neubau ganzer Quartiere über den Zukauf von Immobilien bis zur Veredelung des Bestands, immer unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Mieter und ihrer Lebenssituationen.

Tragfähige Wohnungskonzepte für alle gefordert

Die Wohnungsgenossenschaften wiesen darauf hin, dass sie primär ihren Mitgliedern verpflichtet seien. Die Gestaltung der Mitgliedschaft müsse demnach Sache der Genossenschaft bleiben. Deshalb sprachen sie sich gegen politisch verordnete Belegrechte aus. Ihre Vertreter betonten aber, dass Genossenschaften – traditionell – für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Als langfristiger Partner mit einem nachhaltigen Angebot. Als Reparaturbetrieb verfehlter Wohnungspolitik verstehen sie sich dagegen nicht.

Auch Staatsrat Kock sprach sich für starke Genossenschaften aus. Ihren Bedenken zum Thema sozialer Wohnungsbau setzte er das „Bündnis für Wohnen in Hamburg“ entgegen. Der enge und permanente Austausch zwischen der Wohnungswirtschaft und der Behörde habe zu einer aktiven Entwicklung des Hamburger Wohnungsmarktes sowie einer deutlichen Erhöhung von Sozialwohnungen in Hamburg geführt. Landespastor Dirk Ahrens vom Diakonischen Werk geht das Engagement von Politik und Wohnungsunternehmen in Hamburg dennoch nicht weit genug. Er erlebt täglich, wie schwer bis aussichtslos es ist, Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, in Wohnungen unterzubringen und forderte mehr tragfähige Konzepte. An dieser Stelle warb Kock für einen Dialog zwischen dem Diakonischen Werk und den Wohnungsunternehmen. Denn die Bilder, die bei den Menschen zu Ablehnung von Menschen am Rand der Gesellschaft führen, müssten verändert werden. Vorurteile baue man aber nur durch Überzeugungsarbeit ab. Fachbuchautor Daniel Fuhrhop von der Universität Oldenburg ergänzte, dass in anderen Städten eine Bürgschaft oder gar die Anmietung von Wohnungen für diese Menschen durch die Stadt oder die Kirche zu einer höheren Vermittlungsquote geführt habe.

Zu wenig miteinander

Der Hamburger Weg des Dialogs mit den Behörden wurde von den Vertretern der Wohnungsgenossenschaften beinahe ungläubig zur Kenntnis genommen. Viele sehen sich durch eine Vielzahl von behördlichen Regularien und Auflagen in ihren Städten mit zusätzlichen Kosten konfrontiert. Der Sinn einer Fülle von Auflagen wurde von allen Wohnungsunternehmen in Frage gestellt. Einer ihrer Vertreter forderte, dass sich die öffentliche Hand angesichts des Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum in ihrem Zielpluralismus entscheiden müsse, wo sie Prioritäten setzen wolle oder ob durch Subventionen bestimmte Ziele gefördert werden sollen. Auch die hohen Kosten für Grund und Boden in Stadt- oder Gemeindebesitz verhindern kostengünstigen Wohnraum. Staatsrat Kock entgegnete, dass wirklich jeder prüfen müsste, an welcher Kostenschraube er drehen könnte. Die Städte seien bei den Grundstückskosten, den Vergabeverfahren und Auflagen gefragt und müssten mit Augenmaß und nicht unter maximaler Ausschöpfung der Möglichkeiten agieren. Die Wohnungsunternehmen müssten ausgehend von einer Zielmiete sämtliche Kostenarten durchleuchten. Er verwies exemplarisch auf den Management-Ansatz des Target-Pricing, das in Hamburg zum Projekt des „8,00 Euro Hauses“ führte.

Target Pricing und serielles Bauen – neue Ansätze sind gefragt

Die anwesenden Führungskräfte der Wohnungsunternehmen waren sich einig: Die Baukosten bleiben hoch. Dies wurde durch einen Vertreter des Bauhandwerks bestätigt. Der Fachkräftemangel habe die Stundenlöhne in den letzten Jahren deutlich steigen lassen. Eine Entlastung erwarte er erst mit dem zunehmenden Einzug der Automatisierung im Handwerk. Andere Lösungen sind also gefragt. Neben Target-Princing wurde das Prinzip des „seriellen Bauens“ lebhaft diskutiert. Der Vertreter einer kleineren Genossenschaft berichtete von guten Erfahrungen. Seine Genossenschaft praktiziere serielles Bauen regelmäßig und im Zweifel auch zu Lasten der maximalen Flächenausnutzung, da die Vorteile eingesparter Architekten- und Konzeptkosten überwiegen. Für größere Bauten, die mit Quartiersentwicklung verbunden sind, sei serielles Bauen schwierig, befanden insbesondere die Vertreter größere Genossenschaften. Denn den Vorteilen stehen die Nachteile aus erheblichen Anpassungen an die Grundstücke und individuelles Landesbaurecht gegenüber. An vielen Stellen bräuchte es aber gar keine Neubauprojekte. Es müssten eher strukturelle Probleme angegangen werden, mahnte der Wissenschaftler in der Runde. Daniel Fuhrhop verwies auf erfolgreiche Projekte wie „Wohnen durch Hilfe“ oder den Bremer Punkt. Wichtig ist es, bedarfsgerechte Angebote auch in bestehenden Quartieren zu schaffen und sich über Genossenschaften und Politik hinaus zu vernetzen.

Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung

Die angeregte Diskussion zeigte, dass letztlich der Markt bestimmend für ein bedarfsgerechtes Angebot ist. Und Märkte gibt es so viele, wie es Quartiere gibt. Die Vielfalt an Angeboten und die Spannbreite der Standpunkte zeigen, wie groß die Herausforderung und zugleich wie wünschenswert eine ganzheitliche Betrachtung und eine konsequente Verbindung von Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung ist. Der DHV-Impulsabend war nach Meinung aller Teilnehmer ein Erfolg. Schon allein, weil es gelungen ist, die aktuellen Herausforderungen von verschiedenen Standpunkten zu beleuchten, neue Gespräche anzustoßen und die Verantwortlichen miteinander zu vernetzen. Fortsetzung folgt!

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